Unsere bisherigen Konzerte
(in absteigender Reihenfolge)
Weitere Bilder aus den Konzerten finden Zie unter "Impressionen"
Kammermusikabend 16.1.2025
Antoniersaal Memmingen
Prof. Winfried Rademacher (Violine)
Prof. Beatriz Blanco (Violoncello)
Studierende der Staatl. Hochschule für Musik Trossingen
Richard Aigner (Sprecher)
Franz Schubert (1797-1828): Streichtriosatz B-Dur D 471
Arnold Schönberg (1874-1951): Streichsextett „Verklärte Nacht“ op.4
Das Streichsextett „Verklärte Nacht“ in d- moll Op.4 komponierte der damals
vierundzwanzigjährige Arnold Schönberg (1874-1951) während eines dreiwöchigen
Ferienaufenthalts zusammen mit seiner späteren ersten Ehefrau Mathilde Zemlinsky und deren
Bruder, seinem späteren Schwager Alexander Zemlinsky im September 1899 in Payerbach an der
Rax in Niederösterreich. Alexander Zemlinsky war als akademisch ausgebildeter Musiker (später u.a.
Dirigent an der Wiener Hofoper, heute Wiener Staatsoper) für den Autodidakten Schönberg ein
wichtiger Mentor und ermöglichte auch die Uraufführung des Streichsextetts Op.4 im Kleinen
Musikvereinssaal in Wien im März 1902.
Inhaltlich beruht die Komposition auf dem gleichnamigen, fünfstrophigen Gedicht des damals
berühmten Lyrikers Richard Dehmel. Es handelt von einem nächtlichen Spaziergang einer Frau in
Begleitung eines sie liebenden Mannes in einer klaren, kalten Mondnacht. Dabei gesteht die Frau
ihrem Begleiter, von einem anderen Mann schwanger zu sein, den sie aus Pflichtgefühl auch
geheiratet habe, ohne ihn wirklich zu lieben. Sie fühlt sich schuldig und fürchtet nun, deshalb von
ihrem Begleiter, den sie aufrichtig liebt, verstoßen zu werden. Wider Erwarten und entgegen den
damals bestehenden gesellschaftlichen Normen und Gepflogenheiten gesteht der Begleiter jedoch
seine Liebe und versichert ihr, das Kind , mit dem sie von einem fremden Mann schwanger ist, als
sein eigenes anzunehmen.
In Analogie zur fünfstrophigen literarischen Vorlage besteht das Streichsextett op.4 aus fünf
kontrastierenden Teilen , die Schönberg, der Tradition der „Sinfonischen Dichtung“ von Franz Liszt
und Richard Strauss folgend, in einem Satz zusammengefasst hat. Dabei bedient er sich der auf
Johannes Brahms zurückgehenden Technik der „entwickelnden Variation“ , bei der ein kurzes, sich
fortlaufend veränderndes Motiv als Grundlage für die Herstellung komplexer musikalischer
Sinnzusammenhänge verwendet wird. Hinsichtlich der Harmonik sind wegen der häufigen
Verwendung „alternierender“ , d.h. nebeneinander stehender Akkorde, bei denen jeweils nach
klanglichen Kriterien einzelne Töne zur Weitung des tonalen Klangraumes ausgetauscht werden,
Bezüge zu Richard Wagner unverkennbar.
In einem Aufsatz aus dem Jahr 1950 , also mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Entstehung,
unterzieht Schönberg sein Streichsextett Op.4 einer ausführlichen Analyse. Hier belegt er konkret
anhand von Notenbeispielen die leitmotivische Zuordnung musikalischer Strukturen zu bestimmten
Passagen der literarischen Vorlage. Schönberg beschreibt dabei allerdings auch , dass ihm bei der
Komposition nicht vorrangig die Nachzeichnung „irgendeiner Handlung“ oder einer Tragödie ,
sondern die Darstellung der Schönheit der Natur und menschlicher Gefühle wichtig war. Auf der
einen Seite erklärt er ausführlich, dass es sich bei der „Verklärten Nacht“ dem Geist der Zeit seiner
Entstehung entsprechend um ein Stück Programmusik handelt, andererseits merkt er aber auch an,
dass seine Komposition im Unterschied zu manch anderen Werken auch ohne Kenntnis des
außermusikalischen Programms geschätzt und verstanden werden kann.
Der Streichtriosatz B- Dur D 471 von Franz Schubert (1797 – 1828) ist die erste von zwei in den
Jahren 1816/17 entstandenen Kompositionen in dieser Besetzung. Beide Werke waren wie auch
Schuberts frühe Streichquartette für das häusliche Musizieren in der Familie bestimmt, wo Schubert
die Bratsche und sein Vater und seine Brüder die Violine und das Violoncello spielten. Wie auch bei
anderen Werken des damals zwanzigjährigen Komponisten sind im Streichtriosatz D471 noch
deutliche Anklänge an Schuberts große Vorbilder Haydn und Mozart ersichtlich. Warum der heute
zu hörende Streichtriosatz D 471 in seiner Einsätzigkeit unvollendet blieb, ist nicht bekannt.
Georg Piel, 08.01.2025
Am Samstag 30. November 2024 gab die junge koreanische Violinistin Gyurim Kwak ein Solorezital in der ev. Vereinigungskirche Buxach.
Das Programm:
Wolfgang Rihm (1952-2024): Über die Linie VII
Johann Sebastian Bach:(1685-1750): Chaconne aus der Partita Nr. 2, BWV 1004
Bela Bartok (1881-1945): Sonate für Violine Sz. 117
Unsere zweite Konzertsaison
unsere zweite Konzertsaison begann am Donnerstag 24.10.24 20 Uhr im Antoniersaal mit einer spannenden Veranstaltung:
Prof. Moritz Eggert und seine StudentInnen von der Staatl. Hochschule für Musik und Theater München führten mit dem Projekt "Musik und künstliche Intelligenz" einige Ihrer Kompositionen zusammen mit Studierenden der Instrumentalklassen auf:
„Klavierkonzert“
Minami Nagai, Leon Zmelty, Fabian Blum
Seit jeher ist das Solokonzert die Gattung, bei der Solistinnen und Solisten ihre Fähigkeiten zur Schau stellen dürfen. Im Zusammenspiel mit dem Orchester gehen sie an die Grenzen ihres Instruments und dessen, was „spielbar“ ist. Mit dem Einzug des Geniekults seit der Klassik hat das Genre erheblich an Bedeutung gewonnen und auch heute stehen Solokonzerte häufig auf dem Programm. Menschen, die nicht häufig in Konzerte geben, können Solist:innen bestaunen, was einige Musiker:innen durch zusätzliche Showeinlagen für sich zu nutzen wissen.
Bei unserem KI-Konzert steht ebenfalls ein Klavierkonzert auf dem Programm. Der Spot gehört allerdings keinem Menschen, sondern dem „Computer“, genauer gesagt dem selbstspielenden Klavier. Das Orchester wird zum Begleiter, Mitspieler und Counterpart. Wobei der „Computer“ nicht nur das Spielen übernimmt, sondern auch das Komponieren. Mit künstlicher Intelligenz, der Software „Ricecar“, wird eine Klavierstimme geschrieben, die weiteren Instrumentalstimmen stammen von menschlichen Komponist:innen. Diese Arbeitsteilung wirft einen Spot auf künstliche Intelligenz und ermöglicht gleichzeitig einen sehr unterschiedlichen Umgang mit künstlicher Intelligenz. Es ist den Komponist:innen überlassen, ob sie das Klavier begleiten, konterkarieren, sich unterordnen oder gegen es anschreiben möchten.
Darüber hinaus wird die Klavierstimme zwar mit Ricecar komponiert, benötigt aber dennoch erheblichen kreativen Input von Menschen, um zu einem interessanten Ergebnis zu kommen. Das selbstspielende Klavier ist in der Lage, Passagen zu spielen, die für Menschen unspielbar sind. So verschieben sich die Grenzen des „Spielbaren“. Beim Komponieren mit Ricecar versuchen wir, an die Grenzen des für selbstspielende Klaviere Spielbaren heranzukommen. Die unterschiedlichen Sätze widmen sich verschiedenen Herausforderungen und stellen so die Bandbreite kompositorischer und v.a. spielerischer Virtuosität dar.
„Bilder eines Vektorraums“
Hanyu Xiao, Yann Windeshausen
Eine künstliche Intelligenz braucht immer einen Befehl, eine Inspiration, ein Ausgangspunkt, etwas mit dem sie arbeiten kann. Dies wird zusammengefasst als Prompt bezeichnet.
Einer der zahlreichen interessanten Aspekte der KI, besteht darin, dass bei gleichbleibendem Prompt immer verschiedene Ergebnisse entstehen.
Das Stück „Bilder eines Vektorraumes“ spielt mit diesem Phänomen, indem es die verschiedenen Ergebnisse eines Prompts, in diesem Fall den Beginn eines bekannten Klavierstückes Franz Schuberts, aufzeigt.
Angelehnt an Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“, erklingt zwischen den verschieden kurzen Stücken der KI immer wieder der Prompt. Die Aufgabe der Komponist:innen ist es, die Ergebnisse der KI, die für Klavier geschrieben sind, zu arrangieren und zu instrumentieren.
„Verhandlung“
Hanyu Xiao, Eva Kuhn, Minami Nagai, Torbjørn Heide Arnesen, Fabian Blum
Wie funktioniert eine Verhandlung mit einer KI, die Musik generiert? Wie könnte ein Musikstück aussehen, in dem sich Mensch und KI gegenüberstehen? Nähern sie sich einander an, entfernen sie sich voneinander, oder verharren sie auf ihren eigenen Standpunkten?
In unserem Stück, bei dem Mensch und KI im Wechsel komponiert und unterschiedlich aufeinander reagiert haben, versuchen wir Antworten auf diese Fragen zu finden und musikalisch damit zu experimentieren. Mit einem intensivem Versuch beginnend, die KI in eine bestimmte Richtung zu lenken, bleibt es zunächst – nicht zuletzt durch die Wahl der Instrumentierung – durchschaubar, welche Teile die Komponist:innen beisteuerten und welche Abschnitte von „Ricercar“ generiert wurden. Im Verlauf des Stückes weicht diese Struktur immer weiter auf und die vermeintliche Zuweisung der musikalischen Urheberschaft wird den Zuschauer:innen überlassen. Es bleibt die allgegenwärtige Frage, wie wir in Zukunft Menschengemachtes von KI-generierten Inhalten – nicht nur in der Kunst – unterscheiden können. Wo Annäherung und Verschmelzung wünschenswert und gewinnbringend sein können und wo sie gefährlich oder irreführend werden.
„Maze of Data“
Eva Kuhn, Yann Windeshausen, Leon Zmelty
In „Maze of Data“ treffen KI-generierter Songtext (ChatGPT, Claude AI) sowie KI-generierte Stimme und Melodie (Udio) auf menschlich komponierte Instrumentalstimmen und eine menschliche Performance. Auf diese Weise verschwimmen die Rollen von Mensch und KI. Es entsteht ein musikalisch-theatrales Werk, dessen Entstehungsprozess und künstlerische Umsetzung in gleicher Weise menschlich wie maschinell beeinflusst sind. »But I wonder what ist’s like to be you.« - Die KI fragt danach, was es bedeutet, ein Mensch zu sein und schlägt teilweise überraschend tiefgründige Antworten vor. Träume, Berührungen, Erinnerungen, Abschied… Wir bewegen uns in einem Spannungsfeld, in dem wir mögliche Grenzen zur Menschlichkeit erkunden und zugleich aufbrechen.
In der Tradition der Drag-Show spielen wir mit Täuschung und Rollentausch. Durch Lip Syncing verleihen wir der vom Band kommenden KI-Stimme einen menschlichen Körper. Dabei kreieren wir eine Musik, die Spaß machen darf, ohne sich in tiefen philosophischen Diskursen zu verlieren.
Komponist:innen:
Minami Nagai, geboren 1993 in Osaka (Japan), schloss 2016 ihr Kompositionsstudium an der Tokyo University of the Arts (Geidai) ab. 2019 gewann sie den ersten Preis beim 8. Internationalen Wettbewerb für Liedkomposition in Tokio. Sie war Finalistin für das „Japanese Operatic Work Creation Project“ der Agency for Cultural Affairs der japanischen Regierung (2020). Ihre Oper „THEIR PALE PLACE“ wurde 2023 in Tokio uraufgeführt, und ihr Orchesterwerk „Peacock Spreading Its Feathers“ wurde 2024 vom New Japan Philharmonic uraufgeführt. Seit 2023 studiert sie bei Prof. Moritz Eggert an der Hochschule für Musik und Theater München.
Hanyu Xiao (*1998) studierte Komposition bei Dr. Prof. Claus-Steffen Mahnkopf an der HMT Leipzig, bei Prof. Orm Finnendahl und Hon. Prof. Claus Kühnl an der HfMDK Frankfurt/M. Seit Oktober 2022 studiert sie Komposition bei Prof. Moritz Eggert an der HMTM München im Master und seit 2024 in der Meisterklasse. Beim Günter-Bialas-Kompositionswettbewerb 2019 hat Hanyu Xiao den zweiten Preis erhalten, das Stück "Trio für Flöte, Viola und Harfe" wurde durch das Ensemble Oktopus uraufgeführt und im März 2020 auf BR Klassik gesendet.
Seit dem Wintersemester 2019/20 studiert Fabian Blum (*2000) Komposition in der Klasse von Moritz Eggert an der Hochschule für Musik und Theater München. Blum ist Preisträger mehrerer Wettbewerbe, darunter der Kompositionswerkstatt Opus One der Berliner Philharmoniker und des Carl von Ossietzky Kompositionswettbewerb. Seine Kompositionen wurden beim Festival für Neue Musik Intersonanzen in Potsdam, beim aDevantgarde Festival in München und beim Transparent Sound New Music Festival in Budapest sowie dem Staatstheater Nürnberg und dem Residenztheater München aufgeführt.
Yann Windeshausen (*2002) gehört zur jüngsten Generation der luxemburgischen Komponisten. Seine musikalische Ausbildung begann im Alter von 6 Jahren an der Musikschule seiner Heimatstadt. Verschiedenste Kurse im „Conservatoire du Nord “ und im „Conservatoire de la ville de Luxembourg“ vervollständigten seine Ausbildung. Nach dem Abitur im Jahr 2022 begann er ein Kompositionsstudium bei Prof. Moritz Eggert an der Hochschule für Musik und Theater München. Seine Werke werden seit 2023 von Luxembourg Music Publishers verlegt.
Leon Zmelty (*1997) studierte Komposition bei Gordon Kampe, Moritz Eggert und Yair Klartag. Seine Musik zeichnet sich durch eine große Offenheit und verschwimmende Grenzen zwischen verschiedenen Genres aus – von geräuschhaften, experimentellen Klängen, Mikrotonalität bis hin zu klassisch-romantischen Momenten. Mit seiner Komposition „nachts leuchten die schiffe“ gewann er 2021 den Kompositionswettbewerb des Landesmusikrats Hamburg. 2023 erhielt er mit der Produktion „Seidenkoffer“ das Musikstipendium der Stadt München.
Eva Kuhn (*1994) studierte zunächst bis 2021 Schulmusik und Mathematik für gymnasiales Lehramt in Würzburg. Parallel dazu begann sie 2020 ein Kompositionsstudium bei Prof. Moritz Eggert sowie ein künstlerisch-pädagogisches Gesangsstudium bei Prof. Monika Riedler an der HMTM. Ihre Werke kommen bei verschiedensten Projekten und Festivals (z.B. aDevantgarde-Festival München, Gustav Mahler Wochen Toblach, Festival Zither Hof etc.) zur Aufführung. Zuletzt komponierte sie die Musik für das Musiktheater „Anna & Eve“ an der Neuköllner Oper in Berlin.
Torbjørn Heide Arnesen (*1994) ist ein norwegischer Komponist und Dirigent, Er schloss seinen Master in Komposition an der Hochschule für Musik und Theater München bei Professor Moritz Eggert ab. Seit 2023 ist Arnesen musikalischer Leiter des Accento Orchester München. Sein Werk zeichnet sich durch eine Verschmelzung traditioneller und zeitgenössischer Elemente aus, die die Grenzen musikalischer Genres und Konventionen herausfordern.
Musiker:innen:
Dirigent: Torbjørn Heide Arnesen
Violine: Marc Kaufmann, Leonardo Vicente Hauxwell
Viola: Denis Valishin
Cello: Clara Geley
Kontrabass: n.n.
Gitarre: Miloš Pavićević
Akkordeon: Teodor Marinov
Zither: Sarah Luisa Wurmer
Klavier: Minami Nagai, Aozora Deguchi
Abschluss unserer ersten Konzertsaison:
Gesprächskonzert Larissa Ziegler mit internationaler Gitarrenmusik im Antoniersaal in Memmingen
Im Rahmen eines Gesprächskonzerts präsentierte die Gitarristin Larissa Ziegler am Samstag, den 2. März 2024 um 19.30 Uhr im Antoniersaal in Memmingen internationale Gitarren-musik des 20. und 21. Jahrhunderts.
Larissa Ziegler erhielt mit sieben Jahren ihren ersten Gitarrenunterricht an der Jugendmusikschule Württembergisches Allgäu. Lange Zeit lernte sie dort auf der Konzertgitarre klassische, spanische und südamerikanische Gitarrenliteratur zu spielen. Gegen Ende ihrer Schulzeit 2020 begann die junge Gitarristin ihr Repertoire in Richtung Fingerstyle und Jazz zu erweitern.
Erfolgreich bewarb sie sich nach dem Abitur für ein Studium in der international anerkannten Weltmusik-Gitarrenklasse in Dresden. Seit 2021 studiert Larissa dort akustische Gitarre bei Professor Thomas Fellow und Professor Stephan Bormann. Ihr Programm entwickelt sich dadurch immer mehr zu einer abwechslungsreichen Mischung aus Musik verschiedener Kontinente und Stile, gespielt auf der Konzert- sowie Westerngitarre.
Besonders gerne präsentiert sie die Musik der gegenwärtigen Komponisten, die sie durch ihr Studium in Dresden persönlich kennenlernt. Dazu zählen beispielsweise Kompositionen ihrer beiden Professoren und von Absolventen ihres Studiengangs, wie der niederländischen Fingerstyle-Gitarristin Karlijn Langendijk oder dem brasilianischen Gitarrist Juliano Camara.
Foto: Marlene Lorenz
Unser drittes Konzert fand am 2.2.2024 wieder im
Museum für zeitgenössische Kunst Diether Kunerth, Ottobeuren statt:
Olivier Messiaen:
Quatuor pour la fin du temps
Prof. Winfried Rademacher, Violine
Danielle Ben-Kennaz, Klarinette
Leyre Barros, Violoncello
Emre Nurbeyler, Klavier
Olivier Messiaen (1908-1992) hatte sowohl als Komponist als auch als Lehrer u.a. von Pierre Boulez, Iannis Xenakis, Karlheinz Stockhausen u.a. maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Musik des 20. Jahrhunderts. Nach seinem Studium am Conservatoire in Paris, wo er von Marcel Dupre (Orgel) und Paul Dukas (Komposition) unterrichtet wurde, hatte er von 1931 bis zu seinem Tod im Jahr 1992 die Organistenstelle an St. Trinité in Paris inne. Sein Lehrer Marcel Dupré (1886-1971) war seinerseits Schüler von Alexandre Guillmant (1837-1911) und Charles Marie Widor (1844-1937), die als Begründer einer klassizistischen, bis in die Gegenwart wirkenden französischen Orgeltradition gelten. Paul Dukas (1865-1935) , der selbst als Komponist nur ein Oevre von ca. 20 Werken hinterließ und als Mittler zwischen der französischen Romantik und der Moderne gilt, pflegte als einflussreicher Musikkritiker persönliche Kontakte zu nahezu sämtlichen bedeutenden Musikern seiner Zeit. Warum sich der aus der klassizistischen und damit letztlich rückwärtsgewandten französischen Orgeltradition kommende Olivier Messiaen zu einem der innovativsten Komponisten seiner Zeit entwickelt hat, mag auch mit seinem offenen, intellektuell geprägten Elternhaus zusammenhängen, in dem Musik allerdings nicht vorrangig wichtig war. So war sein Vater Pierre (1883-1957) als Englischprofessor dreißig Jahre lang mit der Übersetzung des Gesamtwerks von Shakespeare befasst und seine Mutter Celine Sauvage (1883-1927) war Dichterin, in deren Werk u.a. die Natur eine wichtige Rolle spielte. Dazu kommt bei Messiaen ein schon in der Kindheit einsetzendes Interesse an theologischen Fragen.
Messiaen hat das „Quatuor pour la fin du temps“ („Quartett für das Ende der Zeit“) als deutscher Kriegsgefangener im Winter 1940 im Gefangenenlager in Görlitz komponiert und dort am 15.Januar 1941 mit drei ebenfalls internierten Musikern unter widrigsten äußeren Bedingungen vor vierhundert Lagerinsassen zur Uraufführung gebracht. Dass er hier überhaupt komponieren durfte, ist dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass der Lagerkommandant Franzpeter Goebels, ab 1947 Leiter des Studios für Neue Musik am Konservatorium in Düsseldorf und später Professor für Klavier an der Musikhochschule Detmold, selbst Musiker war.[1] Die Konstellation, dass nämlich ein Lagerkommandant einem verfeindeten Kriegsgefangenen Notenpapier besorgt, um diesem zu ermöglichen, eines der bedeutendsten Kammermusikwerke seiner Epoche zu Papier zu bringen veranschaulicht – diese persönliche Anmerkung sei angesichts der aktuellen Umstände gestattet - die Absurdität eines Krieges in nicht zu überbietender Deutlichkeit.
Der Titel des achtsätzigen Werks basiert- ebenso wie die vom Komponisten stammenden , programmatischen Überschriften zu den einzelnen Teilen – auf der Offenbarung des Johannes. Messiaen hat dazu später in einem Interview von Halluzinationen in Form von flirrenden Farben und Engeln berichtet, die er auf die im Lager bestehende Nahrungsmittel-knappheit zurückführte, die aus heutiger medizinischer Sicht als Migränesymptome zu deuten sind. Obwohl religiöse Bezüge ebenso wie die Einbeziehung von in Musik gesetzte Vogelstimmen für das Gesamtwerk des tief gläubigen Katholiken prägend sind – Messiaen war leidenschaftlicher Ornithologe, der in den Vögel ein Abbild der Vielfalt und Herrlichkeit der Schöpfung sah und diesen eine Mittlerfunktion zwischen Erde und Himmel zukommen ließ – lassen sich im „Quatuor pour la fin du temps“ auch direkte Hinweise auf die äußeren Umstände bezüglich der Entstehung des Werks finden. So handelt es sich bei der Überschrift des dritten Satzes „Abime des oiseaux“ („Abgrund der Vögel“) , einem Klarinettensolo von depressivem Charakter, um ein Zitat aus dem Gedicht von Pierre Reverdy mit dem Titel „Fonds secrets“ („Geheime Gründe“) ,wo von „Tag(en) ohne Bewegung“ , „vergeblich(em) Glück und verblichene(r) Freiheit“ sowie von „Händen , die in Ketten sind“ die Rede ist., das Messiaen während seiner Lagerhaft vorlag.
Die Achtsätzigkeit des Werks erklärt sich aus der Vorliebe Messiaens für Zahlensymbolik. So gilt die Zahl Sieben aufgrund der an sechs Tagen entstandenen und durch den siebten Tag als Ruhetag Gottes geheiligten Schöpfung als vollkommen. Die Zahl Acht steht für die Fortsetzung in die Ewigkeit und wird dadurch zur Zahl des „unvergänglichen Lichts“ und des „ungetrübten Friedens“. Bezüglich der Gesamtanlage lassen sich Entsprechungen zwischen den programmatischen Überschriften und der Besetzung der einzelnen Sätze erkennen. So sind die Sätze 2 und 7 „Vocalise pour l´Ange qui annonce la fin du temps“ („Vokalise für den Engel, der das Ende der Zeit ankündigt“) bzw. „Fouillis d`arcs-en-ciel pour l`Ànge qui annonce la fin du temps“ („Regenbogen für den Engel, der das Ende der Zeit ankündigt“) jeweils im Tutti gehalten, die den Abgrund in Form von „Trauer“ bzw. „Wut“ stimmungsmäßig unterschiedlich thematisierenden Sätze 3 und 6 „ Abime des oiseaux“ („Abgrund der Vögel“) und „Danse de la fureur, pour les sept trompettes“ („Tanz des Zorns, für die sieben Trompeten“) sind einstimmig (Satz 3 durch ein Klarinettensolo und Satz 6 im Unisono) besetzt, die Sätze 5 und 8 „Louange a`l eternité de Jesus“ („Lobpreis auf die Ewigkeit Jesu“) und 8 „Louange a l`immortalité de Jesus“ („Lobpreis auf die Unsterblichkeit Jesu“) sind jeweils im Duo (Satz 5 Violoncello/Klavier und Satz 6 Violine/Klavier) gehalten.
Kompositorisch verwendet Messiaen im „Quatuor por la fin du temps“ Techniken , die er in seinem 1944 erschienenen, theoretischen Werk „Technique de mon langage musical“ („Technik meiner musikalischen Sprache)“ näher erläutert. So verwendet er im ersten Satz „Liturgie de cristal“ („Kristallene Liturgie“) im Klavier und im Violoncello – jeweils verschieden im Klavier eine Abfolge von drei indischen und im Violoncello einen „nicht umkehrbaren“ , d.h. von hinten und vorn gelesen identischen Rhythmus – über die er jeweils Tonfolgen von abweichender Länge legt. Sowohl die rhythmische als auch der melodische Abfolge wird mehrfach wiederholt, wodurch die Tonfolgen infolge der Asynchronität zum zeitlichen Ablauf jeweils unterschiedlich rhythmisiert werden. Über diesem streng seriell konstruierten Grundablauf gestaltet die Klarinette, von der Violine begleitet, freie, „vogelstimmengleich“ gehaltene Melodielinien. Im ersten Teil des sechsten, ganz im unisono gehaltenen (d.h. alle Stimmen im Einklang spielenden) Satzes „Danse de la fureur, pour les sept trompettes“ („Tanz des Zorns für die sieben Trompeten“) kommt die Technik der „valeur ajoutée“ („Technik des hinzugefügten Werts“) zur Anwendung. Dabei entsteht durch Hinzufügung einer einzelnen Sechzehntelnote an jeweils charakteristischer Stelle aus einem einfachen, aus Vierteln und Achteln bestehenden Basisablauf ein rhythmisch komplexes, bisweilen bizarr anmutendes Gebilde. Im ruhiger gehaltenen Mittelteil dieses Satzes werden einer modifizierten Zwölftonreihe taktweise jeweils unterschiedliche, nicht umkehrbare Rhythmen unterlegt.
Bei Satz 4 „Intermede“ („Zwischenspiel“) handelt es sich um eine eigenständige, separat entstandene und bereits zuvor von drei Mitgefangenen aufgeführte Komposition. In den Sätzen 5 und 8 „Louange a l` eternité de Jesus“ (Lobpreis der Ewigkeit Jesu“) und Louange de l`immortalité de Jesus“ („Lobpreis der Unsterblichkeit Jesu“) greift Messiaen aus dem Gedächtnis auf seine früheren Kompositionen „Fete des belles eaux“ für sechs Ondes Martenot, ein elektronisches Instrument, das sich nicht durchsetzte, (entstanden für die Weltausstellung in Paris 1937) sowie auf das 1930 entstandene „Diptyque“ für Orgel zurück.
Der 8. und damit letzte Satz des Werks „Louange a´l immortalité de Jesus“ („Lobpreis auf die Ewigkeit Jesu“) steht in E- Dur und ist durchgehend im 4/4- Takt gehalten. Über einem den gesamten Satz bestimmenden Rhythmus aus doppelt punktierten Achteln mit Zweiunddreißigsteln im Klavier entfaltet die Violine einen aus freien, auf unbetonten Zählzeiten beginnenden Melismen bestehenden Lobgesang mit Triolen , Überbindungen und Synkopen. In den letzten sieben Takten nimmt die Violine den Pulsschlag des Klaviers auf und hebt ihn durch Transposition bis in die höchsten Lagen nach oben.
Georg Piel, 28.01.2024
[1] Einer anderen Darstellung zufolge soll der Rechtsanwalt Karl Albert Brüll, der Messiaen später auch mit gefälschten Ausweispapieren zur Flucht verholfen haben soll und der im Lager als Dolmetscher tätig war, ihm das Notenpapier besorgt haben.
Das zweite Konzert:
Konzert Blockflöte Solo
Julia Ziegler
18. November 2023 17 Uhr
Evangelische Kirche Buxach
Programm:
Jacob van Eyck (1590-1657)
Comagain
Thema und Variationen über das Lied
„Come again“ von John Dowland
Claude Debussy (1862-1918)
Syrinx
Johann Sebastian Bach (1685-1650)
Partita in a- moll für Flöte solo BWV 1013
Allemande – Corrente – Sarabande – Bourrée Anglaise
Moritz Eggert (geb. 1964)
Außer Atem
Georg Phillip Telemann (1681-1767)
Fantasie No. 2 in a- moll
Grave - Vivace - Adagio - Allegro
Alastair Penman (geb. 1988)
Mirrored lines
Anonymus (14. Jahrhundert)
Istampitta „In pro“
Begleitet von Jeremy Proz, Percussion
James Oswald (1711-1769)
The Reel of Tulloch
Begleitet von Jeremy Proz, Percussion
Julia Ziegler entdeckte bereits im Alter von sieben Jahren ihre Faszination und Leidenschaft für die Blockflöte. Parallel zu ihrer Schullaufbahn erhielt sie bereits früh Unterricht bei der Blockflötistin und Dozentin Julia Fritz am Vorarlberger Landeskonservatorium (VLK). Mit 17 Jahren wurde Julia Ziegler dort als Jungstudentin in die Begabungsförderung künstlerisches Basisstudium aufgenommen.
Im Juli 2019 absolvierte sie ihr Abitur als Jahrgangsbeste des sozialwissenschaftlichen Gymnasiums in Leutkirch. Ab Herbst 2019 studierte sie Blockflöte im künstlerischen Diplomstudiengang am VLK und zusätzlich dazu Querflöte als zweites Instrument.
Seit Herbst 2021 setzt Julia Ziegler ihr Studium der Instrumental- und Gesangspädagogik nun an der Universität Mozarteum in Salzburg fort. Parallel dazu absolviert sie derzeit ein Konzertfachstudium in der Klasse von Univ. Prof. Dorothee Oberlinger und Matthijs Lunenburg.
Sowohl als Solistin als auch im Ensemble ist Julia Ziegler mehrfache erste Landespreisträgerin und Bundespreisträgerin des Wettbewerbs Jugend Musiziert. Im Rahmen dieses Wettbewerbs wurde sie 2018 als Stipendiatin des Förderpreises der Sparkassen in Baden-Württemberg für hervorragende Leistungen in der Kategorie Blockflöte Solo ausgezeichnet. Weitere erhaltene Auszeichnungen sind der vom Rotary- Club ausgeschriebenen JugendMusikFörderpreis Allgäu 2020 und ein 1. Preis in den vom Vorarlberger Landeskonservatorium ausgeschriebenen Wettbewerben: „Solistenwettbewerb“ und „Audition Festkonzert“.
Wichtige musikalische Impulse erhielt Julia Ziegler im Rahmen von Kammermusikkursen und Meisterkursen bei namenhaften Dozenten, wie Erik Boosgraf, Agnes Dorwarth, Han Tol, Maurice Steger, Kees Boeke, Pedro Memelsdorff, Susanne Fröhlich oder Karel van Steenhoven.
Auch langjährige Chorerfahrung, Klavierunterricht, regelmäßige Konzerttätigkeit und Engagements für musikalische Gestaltungen von Feierlichkeiten sowie das Mitwirken bei internationalen Projekten und Orchesterproduktionen, trugen zur positiven Entwicklung ihrer musikalischen Laufbahn bei.
Zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Blockflötistin und Solistin, widmet sich Julia Ziegler im Rahmen ihrer umfassenden Unterrichtstätigkeit im Land Salzburg auch zunehmend Ihrer Leidenschaft als Musikpädagogin.
(Foto by Natalia Luzenko)
Klavierabend
Brigitte Helbig
Werke von Arnold Schönberg, Claude Debussy und Georg Piel
Freitag 20.Januar 2023 19:30 Uhr
Museum für zeitgenössische Kunst Diether Kunerth, Ottobeuren
Lebenslauf Brigitte Helbig
Brigitte Helbig, Klavier, geboren 1991 in München, begann mit vier Jahren mit dem Klavierspiel. Neben zahlreichen Preisen bei Jugend Musiziert, erhielt sie 2010 den Kulturförderpreis der Stadt Landsberg am Lech. Von 2011 - 2018 studierte sie an der Musikhochschule München bei Sylvia Hewig-Tröscher und Markus Bellheim. Sie wurde von 2014 - 2018 durch das Deutschlandstipendium gefördert. Außerdem erweiterte sie ihre Studien mit Auslandsaufenthalten in Paris an der CNSMDP bei Florent Boffard und bei Johannes Marian an der MDW in Wien. Kurse bei Peter Feuchtwanger, Michael Wessel, Franz Massinger, Pavel Gililov, Ian Pace, Majella Stockhausen, Amit Dolberg und Nicolas Hodges gaben weitere wichtige Impulse. Sie arbeitete mit Komponisten wie Thomas Larcher, Michael Jarrell, Steve Reich und Mark Andre zusammen. Mit Ensemble Platypus, Ensemble Wiener Collage, Ensemble BlauerReiter und Risonanze Erranti/Peter Tilling spielte sie Konzerte in Deutschland und Österreich, sowie bei Festivals wie musica viva (München) und CROSSROADS (Salzburg). Außerdem ist sie Gründungsmitglied im ensemble hartmann21. Für die Portrait-CD „Nexus“ von Henrik Ajax spielte sie 2016 das gleichnamige Klavierstück ein. 2018 nahm sie eine erste Solo-CD mit Klavierwerken von Hans Winterberg auf, die bei Toccata Classics erschienen ist. Auch die zweite Winterberg-CD ist bereits im Herbst 2021 beim gleichen Label erschienen. Neben der Beschäftigung mit dem traditionellen Klavierrepertoire setzt sich Brigitte Helbig auch mit bedeutenden Werken für Klavier und Kammermusik aus dem 20./21. Jahrhundert wie Boulez, Stockhausen, Furrer, Dusapin, Saunders, Andre, Mundry und Stroppa auseinander, pflegt einen regen Austausch mit Komponist:innen ihrer Generation und brachte deren Werke zur (Ur-)Aufführung. 2019 erhält Helbig das Musikstipendium der Landeshauptstadt München. Damit initiiert sie eine eigene Solokonzertreihe in München „Starke Frauen – Starke Stücke“ mit Klaviermusik von Komponistinnen und vergibt einen Kompositionsauftrag an Birke Bertelsmeier. Im selben Jahr wird sie durch den Förderpreis der IBK (Internationale Bodensee Konferenz) für Interpretation zeitgenössischer Musik ausgezeichnet. Zudem ist Brigitte Helbig als Klavierlehrerin privat und an der Städtischen Sing- und Musikschule München tätig, seit 2019 Vorstandsmitglied der Münchner Gesellschaft für Neue Musik e. V. (MGNM) sowie seit 2021 Vorstandsmitglied der IG ZMM (Interessensgemeinschaft Zeitgenössische Musik München) und der Tonkünstler München e.V. (TKV)